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Geschenkte Zeit

Aus der Zeit gefallen

Im Benediktinerinnenstift Nonnberg im Herzen Salzburgs ticken die Uhren anders: Während rundherum die Touristenströme fließen, setzt man am dort auf Ruhe und Entschleunigung

 

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Fernab von Festspieltrubel und Touristenströmen thront das Benediktinerinnenstift Nonnberg.

 

Mehr als 100 Stufen führen aus der Salzburger Altstadt hinauf auf den Nonnberg. Mit jedem Tritt verlangsamt sich das Tempo. Fernab von Festspieltrubel und Touristenströmen thront das Benediktinerinnenstift Nonnberg, das älteste christliche Frauenkloster Mitteleuropas mit ununterbrochener Tradition. Stimmen und Verkehrslärm rücken in die Ferne und spätestens jetzt verdichten sich die Anzeichen einer erpilgerten Vorahnung: Hier tickt die Zeit anders.

 

Sie steht keineswegs still, denn hinter den dicken Klostermauern wird seit Beginn des 8. Jahrhunderts gebetet, gearbeitet und gelesen, wie vom Ordensvater vorgesehen. „Der heilige Benedikt strukturiert den Tag in seiner Regel sehr genau“, betont Äbtissin Veronika M. Kronlachner. „Für uns ist klar: Die Zeit ist von Gott geschenkt. Mit dem Ziel auf das ewige Leben hin erfährt die Zeit eine andere Dimension.“ Darin liege eine Herausforderung: „Der Umgang mit der Zeit sollte für uns anders sein. Dass man hinter der Zeit nicht herläuft und trotz vieler Arbeit oder Zeitknappheit, wenn die Glocke zum Gebet läutet, das Begonnene liegen lassen kann.“

 

Im Jetzt leben

Wenn Sr. Veronika von ihrem Alltag erzählt, ist der Anspruch klösterlichen Lebens herauszuhören, der täglich gepflegt und gelebt werden will. „Die Zeit wird vom Gebet befruchtet. Es ist wesentlich, im Jetzt zu leben, weil Gott gegenwärtig ist. Im Jetzt, das es auf der Uhr nicht gibt, auf Gott hin offen zu sein, in jeder Begegnung, in jedem Menschen, das gibt dem Ganzen einen anderen Sinn und Wert.“

 

In der „benediktinischen Gastfreundschaft“ greift genau dieses Verständnis: „Benedikt spricht davon, alles aus Liebe zu Christus zu tun, die Gäste aufzunehmen wie Christus“, betont Kronlachner. Als Äbtissin ist sie die 92. Nachfolgerin der heiligen Erentrudis. Ihr Onkel, der Wormser Bischof und heilige Rupert, gründete – bereits vor Stift Nonnberg – 696 die Benediktinerabtei St. Peter, das älteste Kloster im deutschen Sprachraum mit einer ungebrochenen Kontinuität.

 

Die Oase mitten in der Mozartstadt lockt Einheimische wie Touristen an. „Wir begegnen im Gast Christus, besonders im Fremden, im Armen, im Pilger“, verweist auch der Erzabt des Stifts, Korbinian Birnbacher, auf die Regel des heiligen Benedikt. Es gäbe die Möglichkeit eines „kontemplativen Rückzugs“ im Kloster, erläutert er. „Menschen in einer Krise, nahe oder im Burn-out, melden sich hierfür beim Gastmeister. Es sind oft gestresste Manager, die bei uns untertauchen, einfach mal mitleben möchten“, erzählt der Mönch. „Das ist schon Heilungsprozess genug, die Zeit einmal ganz anders verfügbar zu machen. Hierbei begleiten wir Menschen.“

 

Zeit schenken

Zurück am Nonnberg: Auch hier gibt es eine Gästeunterkunft. „Für Menschen, die Tage der Stille verbringen, am Gebetsleben teilnehmen wollen oder Abstand brauchen. Aber nicht, wenn jemand Jedermann-Karten hat und hier eine billige Unterkunft sucht“, so die Äbtissin. Auch hier kümmert sich eine Gastschwester um die Anliegen der Gäste. „Natürlich ist ein wohlwollendes Zuhören sehr wichtig und heutzutage nicht selbstverständlich.“ Die Zeit zu schenken, greife jedoch tiefer, so die Äbtissin: „Es geht ums Da-Sein, den anderen ernst und anzunehmen, wie er ist mit allen Sorgen und Nöten, um eine Wertschätzung, die jedem Menschen grundgelegt ist von Gott her.“ Die Erwartungen der Gäste seien unterschiedlich, sagt die Ordensfrau. „Unser großes Bene ist die Stille, diese durchbeteten Wände. Kirchen haben hohe Räume, wo vieles Platz hat. Durch Architektur und Kunst ist man mitunter in eine andere Zeit versetzt.“

 

Mit Verlassen des Klosters und dem Abstieg in die Altstadt findet man sich in den Menschentrauben wieder. Aus der erpilgerten Vorahnung wird eine Erinnerung: Die Zeit kann anders ticken, wenn man das Leben darauf ausrichtet.


Lisa Schweiger-Gensluckner

CANISIUSWERK
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