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Unsere Themen im Jahr 2018

Kirche im autoritären Ständestaat

Der Ereignisse des dunklen Jahres 1938 wird heuer besonders gedacht.
Wie das Verhältnis der katholischen Kirche zum politischen System in
den Jahren zuvor aussah, beleuchtet die Grazer Kirchenhistorikerin
Michaela Sohn-Kronthaler.

 

Das heuer in aller Munde geführte Jahr 1938 ist – auch aus kirchlicher Sicht – nicht zu verstehen ohne die Vorgeschichte; konkret: ohne einen Blick auf die Zeit des „Ständestaates“ und des Austrofaschismus der Jahre 1934 bis 1938. In diese Zeit fiel etwa die Unterzeichnung des bis heute geltenden Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und Österreich am 5. Juni 1933. Die Ratifizierung dieses Staatskirchenvertrages erfolgte zusammen mit der Maiverfassung im Bürgerkriegsjahr 1934.

 

Diese enge Verflechtung führte zu partiell heftiger Kritik, vor allem vonseiten der Sozialdemokraten. Unter anderem wurden im Konkordat die staatliche Unauflöslichkeit von Katholikenehen und die fortwährende Untersagung der Zivilehe festgeschrieben, die unter bischöfliche Leitung gestellte Katholische Aktion wurde im Konkordat und in der ständestaatlichen Verfassung verankert. Damit bekam der Episkopat „ein staatskirchenrechtliches Instrument zur grundlegenden Umstrukturierung der katholischen Vereinslandschaft“, sodass die „zahlreichen demokratisch aufgebauten Vereine vereinheitlicht in der Katholischen Aktion (KA), unter strenger hierarchisch-integralistischer Führung, aufgingen“, wie es der Kirchenhistoriker Maximilian Liebmann formulierte.

 

Am 30. November 1933 beschloss die Bischofskonferenz unter Vorsitz Kardinal Theodor Innitzers (1875–1955), der selbst 1929/30 Bundesminister für soziale Fürsorge war, den Rückzug des Klerus aus der aktiven Parteipolitik. Damit war das Ende des „Priesterpolitikers“ besiegelt. Diese Bestimmung bekräftigte der Episkopat erneut im Jahre 1945.

 

Pro Ständestaat

Das Missfallen der österreichischen Kirche am parteipolitischen Pluralismus korrelierte mit ihrer Unterstützung des autoritären „Christlichen Ständestaates“ (1933/34–38). Die Bischöfe würdigten in ihrem Weihnachtshirtenbrief 1933 überschwänglich die Bemühungen der Regierung, „ein nach christlichen Grundsätzen geleitetes Staatswesen“ errichten zu wollen. Österreichs Aufgabe sei es, „ein Bollwerk des katholischen Glaubens zu sein“. In jenem Hirtenschreiben stellte der Episkopat ausführlich die Gegensätzlichkeit von Christentum und Nationalsozialismus heraus.

 

Schon im September desselben Jahres hatte Dollfuß auf dem Allgemeinen Deutschen Katholikentag in Wien vor dem päpstlichen Legaten und den Bischöfen seine Begrüßung zu einer „programmatischen Rede“ zugunsten des von ihm propagierten „Christlichen Ständestaates“ umgestaltet. Von vatikanischer Seite gab es in jener Zeit viel Lob für Dollfuß – innerkirchliche Kritik, wie sie später laut wurde, dass nämlich die österreichische Regierung „Quadragesimo anno“ falsch interpretiert hätte, wurde damals nicht geäußert.

 

So lässt sich eine prinzipielle und systemstützende Loyalität der Kirche Österreichs bis auf die Pfarrebene bezüglich des Ständestaates feststellen. Ebenso gab es organisatorische Verschränkungen und gemeinsame thematische Anliegen, etwa Familie, Mutterschaft, Erziehung und Subordination von Frauen. Kontroversen, die sich hinsichtlich des Regierungskurses abzeichneten, boten in erster Linie die staatliche Jugenderziehung, die katholische Arbeiterbewegung und die Aushöhlung der Bestimmungen über die Sonn- und Feiertagsruhe.

 

Fatale Erklärung

Bereits mit dem „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland in den Märztagen 1938 begannen die Repressalien, Beschlagnahmungen sowie Verhaftungen von Priestern durch die Nationalsozialisten. Trotzdem unterzeichneten die Bischöfe am 18. März 1938 in Wien die fatale „Feierliche Erklärung“, bei der „Volksabstimmung“ am 10. April 1938 für den bereits vollzogenen „Anschluss“ zu stimmen. Ein Teil der österreichischen Katholiken sah sich damit in seiner Haltung zum Nationalsozialismus bestätigt, andere waren bestürzt.

 

Da das österreichische Konkordat vom NS-Regime außer Kraft gesetzt wurde, führte die Kirchenleitung geheime Verhandlungen mit den Machthabern, um die Rechte der Kirche zu sichern. Diese wurden wegen der Kritik Roms erst am 19. August 1938 abgebrochen. Noch vehementer erfolgten nun Schikanen und Terrormaßnahmen gegen das kirchliche Leben: Sämtliche Vereine, Klöster, konfessionelle Schulen und das kirchliche Pressewesen wurden aufgelöst, die Caritas in ihrem Wirken behindert. Die Theologischen Fakultäten wurden bis auf jene in Wien reduziert. Der Religionsunterricht war teils verboten, teils eingeschränkt.

 

Die nationalsozialistischen Machthaber ordneten die obligatorische Zivilehe mit Juli 1938 an und zerschlugen die vom Staat wesentlich mitgetragene Regelung der Kirchenfinanzierung, indem sie 1939 das bis heute geltende Kirchenbeitragsgesetz einführten – damals mit dem Ziel, die Kirche gänzlich zu liquidieren. Die Kirche wurde aus dem öffentlichen Leben verbannt und in den Untergrund gedrängt.

 

Zu einem direkten Widerstand der österreichischen Kirchenleitung gegenüber der NS-Diktatur oder zu einer Kritik am Herrschaftssystem kam es nicht, Ausnahmen bildeten einzelne Christinnen und Christen. Die Zahl der Opfer des Widerstandes – Priester, Laien, Ordensleute – war indes hoch: allein 724 Priester wurden inhaftiert.

 


 

 

 

Michaela Sohn-Kronthaler

 

Univ.-Prof. Dr. Michaela Sohn-Kronthaler leitet seit 2002 das Institut für Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz.

 

Erschienen in: "miteinander" | Jahrgang 2018 | Ausgabe Juli/August 2018

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