• Ausgabe 1-2 / 2015

    GLAUBE MACHT SCHULE

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Unsere Themen im Jahr 2015

Vorwärts in den religiösen Analphabetismus...?!

Gastbeitrag von Otto Friedrich

 

Meine beiden Kinder besuchen die Volksschule – und den katholischen Religionsunterricht. Im 15. Wiener Gemeindebezirk gehören sie zu einer raren Spezies – wenn überhaupt, sind es eine Handvoll Kinder pro Klasse, die noch in "Religion", welcher Konfession auch immer, gehen. Bei meinem Älteren ist das aus organisatorischen Gründen so gestaltet, dass der Rest der Schulstufe – also die Mehrzahl seiner Mitschüler – während seiner Religionsstunde anderweitig beaufsichtigt wird.

 

Auch wenn sich ein Kommentar zur Bildungsdebatte allzu private Beispiele eher verkneifen sollte, weil man hier viel zu oft ideologische Argumente mit persönlicher Betroffenheit trefflich illustrieren kann, mag das Beschriebene als Fingerzeig dafür gelten, wie sehr Religion und religiöse Bildung in der Gesellschaft überhaupt zur Disposition stehen. Man sollte da nicht in Kulturpessimismus verfallen, aber die Bestandsaufnahme nüchtern wahrnehmen.

 

Brüchiges Fundament

 

Und dennoch sich nicht damit abfinden. Denn das Fundament einer Gesellschaft und ihr Wertekanon werden ohne Zutun und Miteinbeziehung der Religion(en) brüchig – ganz abgesehen davon, dass das Verständnis der Kultur, der Geschichte, der Literatur oder der Kunst ohne ein zumindest elementares religiöses Wissen rudimentär bleibt. Aus all diesen Gründen ist es der Gesellschaft und der Politik, aber auch der institutionellen Religion in ihr aufs Schärfste anzukreiden, wenn das Bildungssystem sehenden Auges Generationen von religiös Unkundigen (und Unmusikalischen) hervorbringt.

 

Österreich ist in dieser Hinsicht ein besonderes Beispiel an Ignoranz. Da gibt es nicht einmal eine seriöse Debatte über einen vernünftigen Ethikunterricht. Für die Oberstufe der Sekundarschulen wurden bereits vor 15 Jahren alle nötigen Vorarbeiten und Evaluationen geleistet – der Ethikunterricht als alternativer Pflichtgegenstand zum konfessionellen Religionsunterricht bleibt fern wie eh und je. Nicht einmal für die 15- bis 18-Jährigen hat sich also etwas in diese Richtung getan – zumindest nicht im Regelschulwesen. Dabei brennt der entsprechende Hut – siehe das "private" Beispiel oben – längst bei allen Altersstufen und Bildungsniveaus. Religiöse Unbildung beginnt in der Volksschule (oder gar im Kindergarten) – und die Gesellschaft, aber auch die Kirchen entwickeln keine Kreativität, das zu ändern.

 

Hemmendes Besitzstandsdenken

 

Außerdem ist auch die Diskussion um ein Unterrichtsfach à la "Ethik und Religionskunde" neben und alternativ zu einem konfessionellen Religionsunterricht längst eine Auseinandersetzung aus dem vergangenen Jahrhundert. In Wirklichkeit müsste schleunigst das Profil eines interkonfessionellen, ja interreligiösen Faches entwickelt werden, das die Religion(en) allen Schülern zugänglich macht – sowohl was das Wissen, als auch was die Erfahrungsebenen betrifft. Ein derartiges Projekt müsste idealerweise aber eine gemeinsame Verantwortung der Religionsgemeinschaften und der (säkularen) Schule sein. Es gibt Beispiele aus anderen Ländern, dass dies auch funktionieren kann.

 

Allerdings wohnt ein Besitzstandsdenken, das jede Reform des Bildungssystems hierzulande bislang scheitern ließ, auch den bisherigen konfessionellen Playern inne. Ist der Leidensdruck für die Kirche(n) da immer noch nicht groß genug? Es könnte bald zu spät sein. Eine religionsignorante oder auch religiös völlig analphabete Gesellschaft mag man sich wirklich nicht ausmalen. Und schon gar nicht wünschen.

 

Otto Friedrich, Ressortleiter Religion-Film-Medien bei der Wochenzeitung "Die Furche"

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