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Gib mir Augen, damit ich sehe

Fantasy-Spiele und eine Biografie von Franz von Assisi waren für den aus Ostfriesland stammenden Ubbo Goudschaal Initialzündung für Aufbrüche. Heute arbeitet er als Pastoralassistent in Salzburg.

 

Nach einer Zeit im Bruch mit der Kirche lebend, führen seine Gottessehnsucht und viele offene Fragen zu einem Studium der katholischen Theologie. Dabei wächst der heute 39-jährige Ubbo Goudschaal in einer engagierten evangelischen Familie auf: Die Eltern sind in der Gemeinde aktiv, der Vater wirkt jahrzehntelang als Chorleiter. Der älteste Bruder lebt heute als Pastor in Norddeutschland. Nach seiner Konfirmation wechselt Goudschaal in die Nachbargemeinde – wegen der Gemeinschaft. Doch es kommt zum Bruch.

 

Mit 17 Jahren bricht wieder etwas „in leichten Spuren“ auf: Bei seinem Hobby als ambitionierter Tischrollenspieler von Fantasy-Spielen – Mitwirkende nehmen am Tisch fiktive Rollen ein und erleben gemeinsam durch Erzählen ein Abenteuer – spielen starke Mythologien eine Rolle. Auf Ähnliches trifft er in der Kirche. Zum Gottesdienst mitgeschleppt, hört er ein Lied von Paul Gerhardt. Die Verse klingen mythologisch, handeln von Drachen und Schlangen. Sein Forscherdrang ist geweckt. Er nimmt die Bibel zur Hand, liest hinein.

 

Franziskus – einfach ein „Kracher“

Nach dem Mittelschulabschluss absolviert Goudschaal eine Ausbildung zum Elektroinstallateur. Seinen Zivildienst leistet er bei einem mobilen Hilfsdienst auf einer ostfriesischen Insel: mit viel Zeit zum Alleinsein, für Natur, den Kontakt zur evangelischen Kirche, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Doch seine Suche geht hier ins Leere. Er stößt auf eine Franziskusbiografie, verschlingt sie. „Die Mystik, das Einfache – faszinierend! Die Person war ein ‚Kracher‘ für mich: Wie er sich abgenabelt hat, seinen eigenen Weg gegangen ist, mit so wenig so viel in Bewegung gebracht hat.“ Ein Kontrast zu seinem materialistisch orientierten Elternhaus, dem er durch Hinwendung zu Jugendkulturen entflieht.

 

Nach dem Zivildienst zeigt ihm ein Ordensmann eine Möglichkeit auf, das Abitur nachzuholen: an einem Abendgymnasium mit angeschlossenem katholischen Spätberufenen-Internat. „In drei intensiven Jahren habe ich mein gesamtes traditionelles Handwerk mitbekommen: Gebetsstunden, Messen, enormes Wissen kirchlicher Traditionen und Spiritualität.“ Angestoßen durch die Franziskusbiografie, konvertiert er zum Katholizismus. Ein bitterer Tiefschlag für seine Eltern.

 

Mit dem Abitur öffnen sich Türen: ein Theologie- oder Physikstudium? Seine Wahl fällt auf Ersteres. „Fragen waren noch offen. Und ich dachte, Physik wird mein Leben nie so durchdringen.“ Während des Studiums in Münster kommt Goudschaal mit einem Kapuzinerpater ins Gespräch. Das franziskanische Ordensprofil spricht ihn an, er tritt in den Orden ein. Über den Ausbildungsweg der Kapuziner kommt er nach dem Postolat in der Schweiz als Novize nach Salzburg. Gegen Ende des Noviziats verlässt er aber den Orden: „Der Gehorsam gegenüber den Oberen hat von meiner Seite aus nicht funktioniert.“

 

„Wer hat sich von wem entfernt?“

In Salzburg setzt Goudschaal sein Theologiestudium fort, arbeitet in der Arbeitslosenseelsorge. Mit dem Studienabschluss beginnt er als Pastoralassistent in der Salzburger Pfarre St. Severin, später zusätzlich in einem Seniorenheim. Die Gemeindepastoral fordert ihn: Gottesdienste zu feiern, eine Vision für die Pfarre mitzuentwickeln, zu überlegen, was die Menschen von ihren Bedürfnissen und Sehnsüchten her brauchen und wie man eine Verbindung zwischen Gott und den Menschen fördern kann. „Ich denke, fühle und gehe mit dieser Gemeinde.“

 

Dieses Ziel verfolgt er bei der Kinder- und Jugendarbeit in der Pfarre wie auch im Seniorenheim – mit unterschiedlicher Herangehensweise. Bei den Jugendlichen muss man zuhören, beobachten, worum es ihnen geht, braucht Verständnis für die Jugendkultur. „Wie bringt man junge Menschen dazu, dass sie tiefer schürfen, um die Oberfläche dessen zu durchbrechen, was sie in Familien und Freundschaften sehen?“ Hier hinterfragt sich Goudschaal selbst, ob er den richtigen Rahmen zur Verfügung stellt. Denn als Grundproblem in vielen Pfarren sieht er, „dass man macht, was man schon immer macht“ und sich dabei fragt, wo denn die Jugend bleibe. „Wer hat sich da von wem entfernt? Und wie kann sich die Tradition in einer Art und Weise mit der Jugendkultur verbinden, dass sie trotzdem nicht verflacht?“ Dieses Problem versucht er anzugehen.

 

Im Seniorenheim ist Biografiearbeit gefragt. Es gibt viel aufzuarbeiten und zu verarbeiten: Zurückweisung durch die Familie, Misshandlung, Verstrickungen, die nie gelöst worden sind. Hier ist es wichtig, Aussöhnung anstoßen: mit sich selbst, Gott und der Welt. In der Sterbebegleitung will er „Hoffnung geben, wo noch nicht viel da ist“.

 

Lebensader

Obwohl er für die Gemeindepastoral brennt, kann sich Goudschaal abgrenzen. Seine Freizeit widmet er der Familie, Freunden, Arbeitskollegen mit ähnlichem theologischen Background, er beschäftigt sich mit Film, Musik und er „wuzzelt“ gern. Lebensader ist für ihn aber die Gotteserfahrung. Und die kommt nur durch die Zwiesprache mit Gott, das Gebet, das auch mitten in den Alltag einbricht. „Das ist ja die Krux: Transzendenz – nicht fassbar, jenseits von uns – greift ein in unser Leben. Was nicht erfahrbar ist, macht sich erfahrbar: Gott, der Angelpunkt von allem, was ist.“ Und seine Perspektive von Berufung formuliert er daher so: „Gib mir Augen, damit ich sehe, wo du mir vorausgehst, damit ich dir nachfolgen kann.“

 

Maria Fibich

 

 

Erschienen in: "miteinander" | Jahrgang 2018 | Ausgabe März/April 2018

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